Automobilbranche zögerlich bei Künstlicher Intelligenz

Die Automobilbranche kommt bei der Umsetzung von Künstlicher Intelligenz (KI) nur langsam voran. Der Anteil der Unternehmen, die KI unternehmensweit einsetzen, ist in den letzten beiden Jahren von 7 auf 10 Prozent leicht angestiegen. Gesunken ist hingegen die Zahl der Unternehmen, die KI nur vereinzelt einsetzen oder pilotieren. Dies geht aus einer aktuellen Studie des Capgemini Research Institute hervor, für die 500 Führungskräfte der Automobilindustrie in acht Ländern befragt wurden. Viele Unternehmen verschenken damit beachtliche Nutzenpotenziale im Bereich Kosten, Qualität sowie Produktivität und verpassen die Chance, ihr Betriebsergebnis um bis zu 16 Prozent zu steigern.

Die Studie „Accelerating Automotive’s AI Transformation: How driving AI enterprise-wide can turbo-charge organizational value“ macht deutlich, dass es für Unternehmen der Automobilbranche noch erhebliche Hindernisse zu überwinden gilt: Die Komplexität bestehender IT-Landschaften, fehlende Genauigkeit und Verfügbarkeit von Daten sowie unzureichende digitale Fähigkeiten verzögern häufig noch den technologischen Wandel und eine unternehmensweite Umsetzung (Skalierung) von KI. Die größten Herausforderungen aus technologischer Sicht sehen die befragten Unternehmen bei der Integration bestehender Systeme und Tools (38 Prozent), im mangelnden Wissen und Bewusstsein für Next-Generation-KI-Tools (36 Prozent) sowie fehlenden Trainingsdaten (35 Prozent).

„Der anfängliche Hype um das Thema Künstliche Intelligenz und die damit verbundenen hohen Erwartungen ist bei vielen Unternehmen einer pragmatischeren Sichtweise gewichen, da sie nun mit der konkreten Umsetzung konfrontiert sind“, sagt Ingo Finck, Vice President Insights Driven Enterprise bei Capgemini Invent und Experte für KI.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Die unternehmensweite Implementierung von KI ist in den letzten beiden Jahren nur langsam vorangekommen: Die Zahl der Automobilunternehmen weltweit, die KI umfassend und erfolgreich implementiert haben, ist lediglich von 7 auf 10 Prozent gestiegen. Auch die Anzahl der Unternehmen, die einzelne KI-Maßnahmen umsetzen, hat sich nicht wesentlich verändert und liegt heute bei 24 Prozent gegenüber 27 Prozent im Jahr 2017. Deutlicher fällt allerdings der Anstieg der Unternehmen aus, die keine KI einsetzen – hier hat sich der Anteil weltweit von 26 Prozent auf 39 Prozent erhöht. Der Studie zufolge pilotieren zudem nur noch 26 Prozent der Unternehmen KI-Projekte – gegenüber 41 Prozent im Jahr 2017. Auch in Deutschland ist der Anteil der Automobilunternehmen, die keine KI implementieren von 12 auf 32 Prozent gestiegen – im Gegenzug sank der Anteil der Unternehmen, die KI-Piloten aufgesetzt haben von 52 auf 30 Prozent. Für Unternehmen ist es schwieriger geworden, den Nutzen und den gewünschten Return on Investment in der Pilotphase nachzuweisen (45 Prozent) und die richtige Auswahl der skalierbaren Anwendungsfälle zu treffen (43 Prozent).

USA, Großbritannien und Deutschland liegen vorne

Die USA sind bei der Umsetzung von KI führend – 25 Prozent der Automobilunternehmen implementieren KI unternehmensweit, 25 Prozent selektiv. Großbritannien (14 und 39 Prozent) und Deutschland (12 und 25 Prozent) folgen. Das größte Wachstum innerhalb der untersuchten Länder verzeichnet China, das seinen Anteil an unternehmensweiten KI-Implementierungen im Automobilbereich von 5 auf 9 Prozent fast verdoppelt hat.

Hersteller bei KI weiter als Zulieferer und Händler

Die Studie zeigt, dass die Automobilhersteller im internationalen Vergleich bei der KI-Umsetzung besser vorankommen als ihre Zulieferer und Händler: 14 Prozent der Hersteller implementieren KI umfassend, verglichen mit 4 Prozent der Lieferanten und 4 Prozent der Händler. In Deutschland liegt zudem der Anteil der Händler, die unternehmensweit KI umsetzen, mit 19 Prozent deutlich höher als im internationalen Vergleich.

KI schafft Mehrwert

Automobilunternehmen können ihr Betriebsergebnis um bis zu 16 Prozent steigern, wenn sie umfassende KI-Maßnahmen umsetzen. Um dies zu berechnen wurde ein konservatives und ein optimistisches Szenario anhand eines typischen Top 50 Original Equipment Manufacturers (OEM) entworfen: Das konservative Szenario geht davon aus, dass für OEMs eine Steigerung des Betriebsergebnisses von bis zu 232 Millionen US-Dollar möglich ist. Dies entspricht einem Plus von 5 Prozent gegenüber dem derzeitigen Niveau. Im optimistischen Szenario verdreifacht sich der Gewinn auf 764 Millionen Dollar, was einen Anstieg von 16 Prozent bedeutet.

„Mit einer KI-gestützten visuellen Prüfung konnten wir das Verhältnis von False Positives zu den bisherigen Systemen deutlich reduzieren“, sagt Demetrio Aiello, Leiter des KI & Robotics Labs bei Continental. „Ich bin mir sicher, dass sich der vollumfängliche Einsatz von KI so auf die Leistung auswirken würde, dass wir unsere heutige Kapazität nahezu verdoppeln könnten.“

KI birgt enormes Potenzial bei Kosten, Qualität und Produktivität

Sämtliche Unternehmensfunktionen profitieren vom Einsatz der KI. Im Durchschnitt wurden der Capgemini-Studie zufolge in der Forschung und Entwicklung (F&E) Produktivitätssteigerungen von 16 Prozent erreicht sowie in den Bereichen Supply Chain und Produktion/Operations operative Effizienzsteigerungen von 15 bzw. 16 Prozent. Bei der Customer Experience führte die Anwendung von KI zu einer Reduzierung der direkten Kosten von 14 und 17 Prozent in der IT sowie zu einer Verkürzung der Markteinführungszeit um 15 Prozent in F&E und 13 Prozent in Marketing/Vertrieb.

Im Rahmen der Studie wurden zudem aktuelle KI-Projekte identifiziert und näher beschrieben. Ein Beispiel ist Continental. Das Unternehmen hat durch eine KI-gestützte Simulation 5.000 Meilen Fahrzeug-Testdaten pro Stunde erzeugt, verglichen mit 6.500 Meilen pro Monat, die zuvor mit physischen Testfahrten zurückgelegt wurden. Weitere Beispiele: Volkswagen modelliert den Fahrzeugabsatz von 250 Automodellen in 120 Ländern mit Hilfe von maschinellem Lernen. Und Mercedes-Benz testet ein KI-Erkennungssystem für die Paketzustellung, das die Fahrzeugladezeit um 15 Prozent reduzieren kann.

„Viele Unternehmen haben verstanden, dass die Umsetzung von KI kein reines IT-Thema ist, sondern dann erfolgreich ist, wenn sie als multidisziplinäre Transformation verstanden wird. Diese sollte auch Prozessinnovationen, Anpassungen im Geschäftsmodell, gezielte Befähigung und kulturelle Aspekte umfassen. Aber auch die Verfügbarkeit und Qualität der Daten ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor“, sagt Ingo Finck.

Unternehmen müssen investieren, qualifizieren und Infrastruktur schaffen

Die Studie hat zudem genau analysiert, was Unternehmen, die KI unternehmensweit umsetzen, erfolgreicher macht als andere Unternehmen und daraus Empfehlungen abgeleitet. Die sogenannten Scale Champions konzentrieren sich auf Anwendungsfälle mit hohem Nutzen über alle Funktionen hinweg (94 vs. 36 Prozent). Zudem investieren 86 Prozent von ihnen mehr als 200 Millionen Dollar pro Jahr in KI, bei den übrigen Unternehmen liegt der Anteil bei 20 Prozent. Die führenden Unternehmen fokussieren sich zudem gezielter auf den Aufbau ihres KI-Talentpools – dies umfasst die Einstellung von KI-Experten (32 vs. 14 Prozent) ebenso wie die Weiterbildung und Umschulung ihrer Mitarbeiter (25 vs. 8 Prozent) sowie die Kooperation mit KI-Unternehmen (27 vs. 12 Prozent). Im Vergleich zu den anderen Unternehmen haben sie zudem häufiger einen klaren Governance-Rahmen geschaffen, um KI-Maßnahmen stärker zu priorisieren und zu fördern. Dazu zählen ein zentrales Organ zur Steuerung von KI-Investitionen und ein funktionsübergreifendes Expertenteam aus den Bereichen Technologie, Business und Operations. Schließlich liegen die Scale Champions auch in punkto Unternehmens-IT und beim Thema Datenmanagement weiter vorne als die übrigen Unternehmen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Automobilindustrie beim Thema KI an einem wichtigen Punkt steht. Auch wenn es eine Reihe von Unternehmen gibt, die KI bereits erfolgreich einsetzen, fällt es den meisten Unternehmen noch schwer, sich auf die besten Anwendungsfälle zu konzentrieren. Automobilunternehmen sollten KI nicht als Einzelmaßnahme betrachten, sondern vielmehr als strategische Notwendigkeit für das gesamte Unternehmen. Um auch zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können, müssen sie sich jetzt mit Investitionen, der Förderung und Gewinnung von Talenten sowie der KI-Governance beschäftigen,“ stellt Ingo Finck abschließend fest.

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